Der viel zu frühe, viel zu schnelle Tod meiner Freundin und Kollegin Dr. Anja Christinck macht mich nach einem Jahr immer noch betroffen. Ich wollte Anja noch in Gichenbach besuchen, als Sie bereits am 19.08 2022 starb. Sie hinterlässt Ihren Sohn, Ihre Tochter, Gefährten und Freunde.
Wir hatten uns zuletzt im Februar 2022 in Bad Kissingen gesehen, wo wir uns die letzten acht Jahre einmal im Winter zum Abendessen sahen. Dieses Jahr blieb Anja über Nacht im Hotel, um mit Ihren Kräften zu Haushalten, so dass wir im halb geschlossenen Kurstädtchen auch noch morgens ausgiebig sprechen und sonnendurchflutet frühstücken konnten.
Im thailändischen Restaurant fiel Ihr beriets das Essen schwer, die große, stattliche Anja war schmal geworden. Und war wieder bezaubernd mit Ihrer ruhigen, freundlichen Art und dem verschmitzten Blick auf die Welt, den ich so geschätzt habe.
Über die Jahre, in denen sich unsere Arbeitsbeziehung ab 2010 über das gemeinsame Buch „Cultivate Diversity – A Handbook on Transdsiciplinary Approaches to Agrobiodivesity Research“ https://www.lehmanns.de/shop/weitere-fachgebiete/28065682-9783823616573-cultivate-diversity
zu einer Freundschaft hin entwickelt. Aus Ihren Erzählungen habe ich von Ferne Ihre Kinder auswachsen gehört und Anteil an Ihrem Leben genommen. Anja lockte das gesamte Team der Nachwuchsforschungsgruppe BioDIVA zu einer Klausur nach Loheland, diesen inspirierenden und von Ihr sehr geliebten Ort. Sie begleitete eng unsere Arbeit zu Agrarbiodiversität und Geschlechtergerechtigkeit in Südindien. Danach fuhr ich zum Vorsingen an die Universität Passau und seitdem haben wir uns in dieser seltenen Kombination aus geteiltem Interesse an agrarökologischen Saatgutthemen, leidenschaftlicher Feldforschung in Indien und partizipatorischem Erkenntnisgewinn immer wieder treu getroffen. Aus Anja’s Erzählungen sah ich die Kinder aufwachsen, zur Schule gehen, eine Ausbildung machen und in die Welt hinausgehen, während die Heidschnucken vor dem Hof herumlaufen.
Wir hatten noch so viel vor. Wir träumten von studentischen Exkursionen in die Röhn und sehr viel konkreter wollten wir uns um eine Ausrichtung eines einwöchigen Workshops für Agrarökologie bewerben – wenn wir einmal groß sind! Nun hat der Krebs sein fatales Werk angerichtet und Anja ist nicht mehr bei uns auf der Erde. Sie fehlt so. Noch im Krankenhaus hatten wir uns ausgetauscht und mit Ihrem leisen Humor kommentierte Sie Photos von meinem Sohn, ob mit der radikalen Frisur vielleicht nicht nur die Haare ab seien, sondern auch die Pubertät weg?
Ich vermisse Anja als Gesprächspartnerin, Lebensbegleiterin und großes Vorbild, wie engagierte Wissenschaft anders zu bewerkstelligen ist. Unabhängig, ästhetisch und klug und zugänglich! Das hatte mich anfangs auf Ihr avantgardistisches und ungewöhnlich mutiges seed4change Ein-Frau-Unternehmen aufmerksam gemacht und hingezogen. Je genauer ich Anja kennenlernen durfte, desto mehr hat mich die formvollendete, hartnäckige und von der Liebe zu Sache gezeichnete Arbeit für Sie eingenommen. Mit der Pflege der Webseite Ihres Büros Seed4change soll Ihr Lebenswerk zugänglich bleiben und gewürdigt werden.
Anja fehlt mir als Freundin, mit der ich verrückte Situationen und berührende Begegnungen beim Forschen in Indien oder Indonesien teilen konnte, obwohl sich Ihr Lebensradius bei internationaler Vernetzung sich zwischen den Flughäfen und Bahnhöfen Frankfurt, Kassel und Fulda um das Dorf Gichenbach herum abspielte.
Ich vermisse Dich sehr, Anja! Deine Martina